Stundenlohn bei KiK (LAG Hamm: 5,20 Euro Stundenlohn bei Textildiscounter KiK ist sittenwidrig)

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Tja – auch wenn in Neufünfland die Uhren langsamer ticken (besser gesagt: die kassen leiser klingeln), 5 € Stundenlohn dürften wohl auch bei uns (jedenfalls im Verkauf) sittenwirdrig sein. Klar, seinen Job wird wohl keiner mit einer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung riskieren wollen, aber wenn es zu einer (wie auch immer gearteten) Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt, dann sollten man darüber nachdenken, ob (und wenn ja wieviel) man noch vom Arbeitgeber für die Vergangenheit nachfordern kann.
Freilich wäre (wegen § 12 a des Arbeitsgerichtsgesetzes – siehe ganz unten) eine Rechtsschutzversicherung sehr hilfreich.
Jedenfalls müßte ja in diesem Falle keine Rücksicht mehr genommen werden auf das gute Arbeitsverhältnis (Arbeitsklima in der Firma usw.) und man sollte sich (anwaltlich) beraten lassen. Auch ohne Rechtsschutzversicherung – fragen Sie nach. Jeder (seriöse) Anwalt hat kein Problem damit, wenn Sie ihn ganz klar und gleich am Anfang nach den Kosten fragen. Und er sollte auch kein Problem damit haben, wenn Sie nach Abwägung von Kosten und Risiken bzw. Chancen dann lieber wieder gehen wollen, soll heißen: wenn Sie dann besser keinen Anwalt beauftragen wollen.
Wünsche dennoch allen Arbeitnehmern (auch bei KIK) und auch allen Selbständigen einen tollen Freitag und ein sonniges Wochenende.
fth



LAG Hamm: 5,20 Euro Stundenlohn bei Textildiscounter KiK ist sittenwidrig

zu LAG Hamm, Urteil vom 18.03.2009 - 6 Sa 1284/08; 6 Sa 1372/08
Die vom Textildiscounter KiK an zwei Minijobberinnen gezahlte Vergütung in Höhe von 5,20 Euro pro Stunde ist sittenwidrig. Das hat das Landesarbeitsgericht Hamm entschieden und damit die Vorinstanz bestätigt. Die Landesarbeitsrichter sahen in beiden Fällen ein auffälliges Missverhältnis zwischen der vereinbarten Lohnhöhe und der Arbeitsleistung. Die Revision wurde nicht zugelassen (Urteile vom 18.03.2009, Az.: 6 Sa 1284/08; 6 Sa 1372/08).
Berufungskammer bestätigt Sittenwidrigkeit der Vergütung
Zwei 47 und 62 Jahre alte Frauen aus Mülheim/Ruhr hatten das Tochterunternehmen des Einzelhandelskonzerns Tengelmann verklagt, weil sie nur 5,20 Euro Stundenlohn erhielten. Sie verlangten rückwirkend ab 2004 eine höhere Vergütung. Ebenso wie das Arbeitsgericht Dortmund gab ihnen jetzt die Berufungskammer Recht. Die Landesarbeitsrichter erklärten die von KiK gezahlte Vergütung in Höhe von 5,20 Euro für sittenwidrig.
Unterschreitung des Tarifniveaus um 2/3
Sie verwiesen dabei auf das auffällige Missverhältnis zwischen Leistung und Lohn und stellten für den Vergleich auf die branchenüblichen Tariflöhne des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen ab. Ausgehend davon war nach dem Gehaltstarifvertrag ab Januar 2004 eine Vergütung in Höhe von 1.946 Euro brutto maßgeblich. Da die Parteien eine Pauschalvergütung vereinbart hatten, in der das Weihnachtsgeld und das Urlaubsgeld und – insoweit rechtswidrig – auch das Urlaubsentgelt und die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall enthalten waren, lag die Vergütung der Klägerinnen bei rund 640 Euro monatlich. Eine Unterschreitung des Tarifniveaus um 2/3 sei sittenwidrig, so die Berufungskammer.
Sittenwidrigkeit auch bei Greifen des Lohntarifvertrags
Unerheblich war für die LAG-Richter dabei, dass die beiden Frauen entgegen ihrer Annahme als Packerinnen und nicht als Verkäuferinnen beschäftigt waren. Denn auch bei Zugrundelegen des allgemeinen Lohntarifvertrags und nicht des Einzelhandelstarifvertrages liege die Vergütung noch rund 60 Prozent unter dem Tariflohn, so die Berufungskammer.
ver.di kündigt Informationskampagne an
Die Gewerkschaft ver.di, die die beiden Frauen im Prozess vertreten hatte, äußerte sich erfreut über die Entscheidung. «Stundenlöhne unter 8,21 Euro sind sittenwidrig», sagte die Geschäftsführerin des Bezirks Mülheim-Oberhausen, Henrike Greven. Die Gewerkschaft wolle nun «durch die Filialen tingeln» und die Kik-Beschäftigten über das Urteil informieren. Nach Grevens Angaben sind rund 9.000 der insgesamt 18.000 Beschäftigten geringfügig beschäftigt und erhalten Stundenlöhne von 4,25 bis 5,25 Euro. In Deutschland seien mehrere ähnliche Verfahren von Kik-Beschäftigten bei Arbeitsgerichten anhängig.

beck-aktuell-Redaktion, Verlag C. H. Beck, 19. März 2009.




§ 12a Kostentragungspflicht

(1) In Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs besteht kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozeßbevollmächtigten oder Beistandes. 2Vor Abschluß der Vereinbarung über die Vertretung ist auf den Ausschluß der Kostenerstattung nach Satz 1 hinzuweisen. 3Satz 1 gilt nicht für Kosten, die dem Beklagten dadurch entstanden sind, daß der Kläger ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit, der Finanz- oder Sozialgerichtsbarkeit angerufen und dieses den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht verwiesen hat.

(2) 1Werden im Urteilsverfahren des zweiten Rechtszugs die Kosten nach § 92 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung verhältnismäßig geteilt und ist die eine Partei durch einen Rechtsanwalt, die andere Partei durch einen Verbandsvertreter nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 vertreten, so ist diese Partei hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten so zu stellen, als wenn sie durch einen Rechtsanwalt vertreten worden wäre. 2Ansprüche auf Erstattung stehen ihr jedoch nur insoweit zu, als ihr Kosten im Einzelfall tatsächlich erwachsen sind.

[1] § 12a Abs. 2 geänd. durch G v. 31. 8. 1998 (BGBl. I S. 2600); Abs. 2 Satz 1 geänd. mWv 1. 7. 2008 durch G v. 12. 12. 2007 (BGBl. I S. 2840).
Geltungszeiträume

* ab 01.07.2008 (aktuell)

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