Fahrverbot vermeiden: Absehen vom Regelfahrverbot – was wirklich funktioniert

Kurz gesagt: Vom Fahrverbot absehen geht – aber nur in engen Ausnahmefällen. Entscheidend sind „Augenblicksversagen“ oder eine nachweisbare „besondere Härte“. Berufliche Nachteile allein reichen in der Regel nicht. Das zeigt ein aktueller Beschluss des OLG Brandenburg: Ein Landwirt scheiterte trotz Erntezeit mit dem Wunsch, das Fahrverbot zu beschränken oder aufzuheben.

Worum geht’s – und warum ist das für Sie wichtig?

Wer zu schnell fährt oder wiederholt Regeln missachtet, riskiert ein Fahrverbot. Viele fragen: Kann ich das Fahrverbot vermeiden oder in eine höhere Geldbuße „umwandeln“? Ja – aber nur, wenn klar belegbare Ausnahmekonstellationen vorliegen. Gerichte setzen die Messlatte hoch.

Was ist ein Regelfahrverbot – und wann droht es?

  • Ein Fahrverbot dient als „Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme“. Es soll spürbar wirken, aber verhältnismäßig bleiben.
  • Die Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) nennt Fälle, in denen ein Fahrverbot in der Regel in Betracht kommt – etwa bei erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitungen oder beharrlichen Verstößen (z.B. zweimal mind. 26 km/h zu viel innerhalb eines Jahres). Das ist eine klare Indizwirkung, keine starre Automatik.
  • Dennoch: In der Praxis ist die Schwelle zum Absehen hoch; die BKatV zielt gerade auf eine häufiger konsequente Anwendung des Fahrverbots.

Ausnahmen: Wann kann vom Fahrverbot abgesehen werden?

I. „Augenblicksversagen“

  • Ein einmaliges, auch bei sorgfältigen Fahrern mögliches Versehen (z.B. ein schwer erkennbares Tempo-30-Schild übersehen) kann das subjektive „Grobe“ fehlen lassen – dann ist ein Fahrverbot unverhältnismäßig.
  • Aber: Die Indizwirkung bleibt stark. Wer z.B. beidseitige Beschilderung ignoriert oder extrem überschreitet, handelt regelmäßig subjektiv grob; dann scheidet das „Augenblicksversagen“ aus.

II. „Besondere Härte“

  • Berufliche oder wirtschaftliche Nachteile sind typische Nebenfolgen eines Fahrverbots und grundsätzlich hinzunehmen. Nur wenn konkret und belegt die Zumutbarkeitsgrenze überschritten wird, kommt ein Absehen in Betracht. Das Gericht muss dazu eine klare Abwägung treffen.
  • Beispiel: Reine Erschwernisse beim Arbeitsweg reichen nicht; es bedarf detaillierter Darlegung, warum Alternativen (ÖPNV, Fahrgemeinschaften, zeitliche Legung in Urlaubsphasen) unzumutbar sind.

III. Praxisbeispiel OLG Brandenburg

  • Sachverhalt: 188 km/h bei zulässigen 120 km/h (also +68 km/h), beidseitige Beschilderung, erhebliche Voreintragungen. Der Betroffene berief sich als selbstständiger Landwirt auf die „heiße Phase“ der Ernte. Ergebnis: Kein Absehen. Weder lag „Augenblicksversagen“ vor, noch eine substantiiert dargelegte besondere Härte. Die Beschränkung des Fahrverbots nur auf Pkw lehnte das Gericht ebenfalls ab.

 

Häufige Fragen – kurz und prägnant

  1. Wann kann ein Gericht vom Regelfahrverbot absehen?
    • Bei nachweisbarem Augenblicksversagen oder bei konkret belegter besonderer Härte, die über übliche berufliche Nachteile hinausgeht.
  2. Reicht es, dass ich beruflich auf das Auto angewiesen bin?
    • Nein. Das ist typisch und regelmäßig zumutbar – Alternativen sind zu prüfen und darzulegen. Nur außergewöhnliche, belegte Konstellationen tragen ein Absehen.
  3. Zahlt eine höhere Geldbuße statt Fahrverbot?
    • Nur ausnahmsweise. Die BKatV sieht das Absehen gegen Erhöhung der Geldbuße ausdrücklich als Ausnahme vor und verlangt eine eingehende Begründung.
  4. Zählt „Schilder übersehen“ als Augenblicksversagen?
    • Kann sein – aber nur, wenn das Übersehen nicht aus grober Nachlässigkeit resultiert. Bei klarer, mehrfacher Beschilderung oder deutlichen Hinweisen wird Augenblicksversagen meist verneint.
  5. Was gilt bei Wiederholungstätern (beharrlicher Verstoß)?
    • Die Indizwirkung ist besonders stark; Gerichte sollen das Fahrverbot konsequent anwenden. Augenblicksversagen hilft nur, wenn der erneute Verstoß nicht Ausdruck mangelnder Rechtstreue ist.

 

Was Gerichte besonders kritisch prüfen

  • Deutlichkeit der Beschilderung (beidseitig, Beschilderungsbrücke, Trichter, bauliche Hinweise).
  • Ausmaß der Überschreitung: Qualifizierte Überschreitungen indizieren subjektiv grobes Verhalten.
  • Vorbelastungen/Verkehrsvorgeschichte: Erhöhen die Hürde für Ausnahmen.
  • Substantiierter Härtevortrag: Konkrete Wegezeiten, Alternativen, betrieblich-organisatorische Maßnahmen – nicht nur pauschale Hinweise.

 

Konkrete Handlungsempfehlungen nach Bußgeldbescheid

  1. Fristen im Blick behalten und Bescheid prüfen lassen.
    • Messverfahren, Eichung, Beweisfotos, Beschilderungssituation dokumentieren. Hinweise auf Augenblicksversagen früh sichern.
  2. Härtefall sauber begründen – mit Belegen.
    • Arbeitsvertrag/Schichtpläne, betriebliche Nachweise, Fahrpläne/Wegezeiten, Nachweise fehlender Alternativen, ggf. eidesstattliche Erklärungen. Gerichtsfeste Detaillierung erforderlich.
  3. Alternativen konkret darlegen.
    • ÖPNV/Fahrgemeinschaften/Taxi-Mix/temporäre Fahrer: warum unzumutbar oder faktisch nicht möglich?
  4. Zeitpunkt der Verbüßung planen.
    • Fahrverbot in ruhigere Phasen/Urlaub legen – mildert Nachteile und zeigt Mitwirkung. Gerichte berücksichtigen Planbarkeit.
  5. Rechtliche Strategie klären.
    • Ob Umwandlung in erhöhte Geldbuße tragfähig ist, hängt an klaren Ausnahmegründen und einer stimmigen Gesamtabwägung.

 

Kurz-Check: Habe ich Chancen, das Fahrverbot zu vermeiden?

  • Deutliche Beschilderung übersehen?
    • Ja, aber plausibel und belegbar → Augenblicksversagen möglich.
  • Nur berufliche Nachteile ohne Details?
    • Regelmäßig nein. Substantiierung zwingend.
  • Massive Überschreitung und Voreintragungen?
    • Absehen meist ausgeschlossen.

 

Fazit

  • Die Gerichte verstehen das Regelfahrverbot als ernstes, regelmäßig anzuwendendes Instrument. Abweichungen bleiben Ausnahmen. Ohne belegtes Augenblicksversagen oder detailliert nachgewiesene besondere Härte gibt es selten ein Absehen – selbst in arbeitsintensiven Branchen. Das zeigt der aktuelle Beschluss des OLG Brandenburg: Erntezeit schützt nicht vor dem Fahrverbot.

Meta-Summary (für schnelle Leser)

  • Vom Fahrverbot absehen: nur bei Augenblicksversagen oder besonderer Härte.
  • Berufliche Nachteile sind regelmäßig zumutbar und reichen nicht aus.
  • Massive Überschreitung + klare Beschilderung + Vorbelastungen = kaum Chancen.
  • Ausnahmen erfordern belegte, konkrete Tatsachen – keine Floskeln.

 

Quellenhinweise aus Rechtsprechung und Literatur

  • OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.10.2025 – 1 ORbs 181/25: Kein Absehen für Landwirt trotz „heiße Phase“, 188 km/h statt 120, beidseitige Beschilderung, deutliche Überschreitung, Vorbelastungen.
  • Grundsätze zum Regelfahrverbot, Indizwirkung, Erforderlichkeit von Ausnahmen und Begründungstiefe.
  • „Augenblicksversagen“ als Ausnahme – nur bei fehlender subjektiver Grobheit.
  • Besondere Härte – strenge Anforderungen, detaillierte Darlegungspflicht.
  • Beharrlicher Verstoß – strenge Linie, reduzierte Abweichungsmöglichkeiten.

 

fth | 09. Dez 2025 | Zu Recht !!

 


 

 

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