Gehrecht/Fahrrecht – Anbringen eines Tores | Wenn das "herrschende" Grundstück nicht alles beherrscht.
Der Berechtigte eines Geh- bzw. Fahrrechts hat eine Verpflichtung zur schonenden Ausübung dieser sog. Grunddienstbarkeit. Dies ergibt sich bereits aus § 1020 S. 1 BGB. Danach muss der Berechtigte gewissen Erschwernisse bei deren Ausübung hinnehmen, wenn berechtigte
Interessen des Verpflichteten (also des Eigentümers des dienenden Grundstücks) dies als angemessen erscheinen lassen.
Der Eigentümer des "dienenden" Grundstücks kann z.B. durchaus berechtigt sein, einen Zaun zu errichten (Oberlandesgericht Frankfurt/Main | Az: 19 W 59/10 | Beschluss vom 22.11.2010 | Der Beschluss folgt unten im Volltext)
Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt/Main vom 07.10.2010 wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens
zu tragen.
Der Beschwerdewert beträgt 9.000,– EUR.
Gründe
Die sofortige Beschwerde der Antragsteller ist nicht
begründet. Das Landgericht hat den Erlass der beantragten einstweiligen
Verfügung im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
Den Antragstellern steht gegen die Antragsgegner ein
Anspruch aus §§ 1027, 1004 BGB, die Errichtung eines Tores zwischen den
Grundstücken der Parteien und zwischen dem Grundstück der Antragsteller und der
öffentlichen Straße … zu unterlassen, nicht zu. Der Unterlassungsanspruch ist
bereits deshalb unbegründet, weil die beiden Tore – wie sich aus der
Beschwerdeschrift ergibt – inzwischen angebracht worden sind, so dass
allenfalls ein Anspruch auf Störungsbeseitigung gegeben sein könnte.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass ein
Unterlassungsanspruch, nachdem die Handlung, zu deren Abwehr er geltend gemacht
wurde, vorgenommen wurde, fortbesteht und sich demgemäß das begehrte
Unterlassungsgebot in einen Anspruch auf Störungsbeseitigung umwandelt, ist der
Antrag nicht begründet. Das Anbringen von Toren ist nicht schon nach dem Inhalt
des Geh- und Fahrrechtes ausgeschlossen.
Zur Ermittlung des Inhalts der Dienstbarkeit ist voranging
auf Wortlaut und Sinn der Grundbucheintragung und der in Bezug genommenen
Eintragungsbewilligung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen
Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt. Umstände
außerhalb dieser Urkunden dürfen jedoch insoweit mit herangezogen werden, als
sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne
weiteres erkennbar sind (ständige Rechtsprechung, etwa BGH, Urt. v. 08.02.2002,
V ZR 252/00, Rn. 10, m.w.N. juris). Hier ergibt sich weder aus der
Eintragungsbewilligung gemäß Urkunde des Notars Dr. … Nr. …/1969 noch etwa aus
den für jedermann erkennbaren örtlichen Verhältnissen, dass die Errichtung von
Toren zur Gewährleistung des Geh- und Fahrrechtes ausgeschlossen ist.
Allerdings ergibt sich aus der Anbringung eines Tores eine
Beschwernis des Berechtigten bei der Ausübung des Geh- und Fahrrechtes. In der
Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass der Berechtigte wegen der
Verpflichtung zur schonenden Ausübung der Grunddienstbarkeit (§ 1020 S. 1 BGB)
gewissen Erschwernisse bei deren Ausübung hinnehmen muss, soweit berechtigte
Interessen des Verpflichtenden dies als angemessen erscheinen lassen (BGH DNotZ
1959, 240, 241; OLG Koblenz, DNotZ 1999, 511, 512; OLG Frankfurt, NJW-RR 1986,
763; OLG Karlsruhe NJW-RR 1991, 785, 786, Erman/Grziwotz, 12. Aufl., BGB §
1020, Rn. 1; Staudinger/Mayer, BGB § 1020, Rn. 4, 5). Hier erscheint die
Absperrung des Grundstücks der Antragsgegner durch die beiden angebrachten Tore
angemessen. Die Antragsgegner als Grundstücksnachbarn der Antragsteller
bewohnen das auf ihrem Grundstück gelegene Wohnhaus mit ihren vier Jahre, zwei
Jahre und knapp ein Jahr alten Kindern und haben deshalb jedenfalls derzeit zum
Schutz ihrer Kinder – nicht zuletzt um zu vermeiden, dass sich die Kinder
unbemerkt vom Grundstück entfernen – ein anzuerkennendes Interesse, an einer
vollständigen Einfriedung ihres Grundstücks. Die Tore sind für die
Antragsteller und ihre Besucher jederzeit manuell zu öffnen. Für sie wirkt sich
das Tor zwischen dem Grundstück der Antragsgegner und der öffentlichen Straße
sowie das Tor zwischen ihrem Grundstück und dem der Antragsgegner lediglich im
Rahmen einer gewissen Lästigkeit bei der Ausübung des Geh- und Fahrrechtes aus.
Diese Lästigkeit hinzunehmen erscheint als zumutbar im Rahmen der schonenden
Ausübung der Dienstbarkeit.
Die Besorgnis der Antragsteller, die Tore könnten in den
Wintermonaten bei Schnee nur schwer zu öffnen sein, steht dem nicht entgegen.
Es ist Sache der Antragsgegner dafür zu sorgen, dass sich die Tore ohne
besondere Erschwernisse öffnen lassen. Welche Ansprüche der Antragsteller
gegeben sind, wenn sich die Tore wegen winterlicher Witterungsverhältnisse
nicht ohne weiteres öffnen lassen, bedarf in diesem Zusammenhang keiner
Erörterung.
Auch der Hilfsantrag, die Tore so auszustatten, dass sie
elektrisch und mit Fernbedienung geöffnet werden können, dass ferner eine
Klingelanlage mit Sprechverbindung von den Toren zum Haus der Antragsteller
geschaffen wird, ist nicht begründet. Das Geh- und Fahrrecht kann auch ohne die
von den Antragsstellern verlangte technische Ausstattung der Tore ausgeübt
werden.
Der technische und finanzielle Aufwand, den eine derartige
Ausstattung der Tore erfordern würde, würde in keinem angemessenen Verhältnis
zur Verbesserung des Komforts beim Passieren der Tore stehen.
Schließlich können die Antragsteller von den Antragsgegnern
auch nicht beanspruchen, dass die Antragsgegner es unterlassen, auf ihrem
Grundstück den von den Antragsstellern auf der vorgelegten Skizze markierten
Bereich so umzugestalten, dass dort ein Wenden von Kraftfahrzeugen nicht mehr
möglich ist. Der Inhalt des den Antragstellern eingeräumten Geh- und
Fahrrechtes beschränkt sich nach dem klaren Wortlaut der Bewilligung auf einen etwa
3 m breiten Geländestreifen mit dem in der notariellen Urkunde näher
bezeichneten Verlauf. Eine darüber hinaus gehende Fläche zum Wenden von
Fahrzeugen ist nach dem klaren Inhalt der Bewilligung nicht Inhalt des Geh- und
Fahrrechtes geworden. Der Umstand, dass die frühere Eigentümerin des nun den
Antragsgegnern gehörigen Grundstückes duldete, dass die Antragsteller die von
ihnen bezeichnete Fläche auf dem Grundstück der Antragsgegner zum Wenden von
Fahrzeugen benutzten, mag auf tatsächlicher Duldung oder auch einer
stillschweigend zustande gekommenen rechtsgeschäftlichen Vereinbarung beruht
haben; eine entsprechende Ausdehnung des Inhalts der Grunddienstbarkeit ergibt
sich hieraus nicht. Anders könnte es nur dann liegen, wenn die von den
Antragsstellern zum Wenden von Kraftfahrzeugen beanspruchte zusätzliche Fläche
auf dem Grundstück der Antragsgegner nach den örtlichen Verhältnissen für
jedermann ohne weiteres erkennbar im Rahmen der Nutzung der Zufahrt zum
Grundstück der Antragsteller und zu der dort gelegenen Garage notwendig wäre,
insbesondere etwa deshalb, weil auf dem Grundstück der Antragsteller die zum
Wenden erforderliche Fläche weder vorhanden ist noch ohne weiteres geschaffen
werden kann. Derartige örtliche Verhältnisse ergeben sich aber weder aus den
vorgelegten Lichtbildern noch aus dem Lageplan und sind demgemäß nicht
hinreichend glaubhaft gemacht.
Fehlt es danach an der Glaubhaftmachung eines
Verfügungsanspruchs, kann offen bleiben, ob der begehrte Erlass der
einstweiligen Verfügung eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache darstellen
würde, wie das Landgericht meint.
Die Antragsteller haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens
zu tragen, da ihr Rechtsmittel keinen Erfolg hat (§ 97 Abs. 1 ZPO). Die
Wertfestsetzung entspricht dem Interesse der Antragsteller an der Durchsetzung
der begehrten einstweiligen Verfügung.
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