Steuerhinterziehung bei Verstoß gegen Anzeigepflicht aus § 153 AO
BGH, Beschluss vom 17. 3. 2009 - 1 StR 479/08
BeckRS 2009, 12883
Der BGH hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, unter welchen Voraussetzungen den Steuerpflichtigen eine Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 I 1 Nr. 1 AO trifft, wenn er zuvor mit bedingtem Vorsatz unrichtige Angaben in einer Steuererklärung gemacht hat.
§ 153 I 1 Nr. 1 AO normiert eine Verpflichtung des Steuerpflichtigen, eine unrichtige Steuererklärung anzuzeigen und zu berichtigen, wenn er die Unrichtigkeit erst nachträglich bemerkt. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, so kann er sich wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen strafbar machen. Dabei ist umstritten, ob dies auch dann gilt, wenn der Steuerpflichtige bereits bei Abgabe der Erklärung die Unrichtigkeit seiner Angaben billigend in Kauf genommen hat.
Steuerhinterziehung bei Verstoß gegen Anzeigepflicht aus § 153 AO NJW-Spezial 2009 Heft 13 424 Vorheriger Seitenumbruch
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Der BGH hat dies nun in einem Fall bejaht, in dem der Angeklagte fehlerhafte Umsatzsteuervoranmeldungen nicht berichtigt hatte. Zwar komme eine Verpflichtung aus § 153 I 1 Nr. 1 AO dann nicht in Betracht, wenn der Steuerpflichtige bewusst unrichtige Erklärungen abgegeben habe, denn dann sei ihm deren Unrichtigkeit nicht - wie es der Wortlaut des § 158 I AO voraussetzt - erst nachträglich bekannt geworden. Anders liege der Fall aber, wenn die unrichtigen Angaben lediglich mit bedingtem Vorsatz erfolgten. Denn wer zunächst nur mit der möglichen Unrichtigkeit seiner Angaben rechnet, kann die definitive Unrichtigkeit durchaus erst später noch nachträglich erkennen. Diese Ansicht führe auch nicht dazu, dass die Steuerhinterziehung zu einem Dauerdelikt umgedeutet wird, denn mit der Kenntniserlangung verwirkliche der Steuerpflichtige nunmehr auf Grund eines neuen Tatentschlusses den selbstständigen Tatbestand des § 370 I Nr. 2 AO. Besondere Aufmerksamkeit widmete der BGH auch der Frage, inwieweit die nachträgliche Anzeigepflicht mit dem Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit vereinbar ist. Der 1. Strafsenat bejaht dies mit dem Hinweis auf die Möglichkeit, der Angeklagte könne regelmäßig durch eine Selbstanzeige Straffreiheit erlangen. Daher befinde er sich hier auch nicht in einer unauflösbaren Konfliktsituation, die im Hinblick auf den Nemo-Tenetur-Grundsatz der Berichtigungspflicht entgegenstehen könnte. Auch wenn eine strafbefreiende Selbstanzeige wegen Vorliegens eines Sperrgrundes ausgeschlossen ist, soll die Anzeige- und Benachrichtigungspflicht des § 153 AO ebenso wenig wie eine eventuelle Pflicht zur Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung entfallen. In diesen Fällen könne dem Nemo-Tenetur-Grundsatz aber durch die Annahme eines Beweisverwertungs- oder -verwendungsverbots Rechnung getragen werden. Eine Suspendierung von der Anzeigepflicht kommt nach Ansicht des BGH nur in den Fällen in Betracht, in denen dem Täter bereits die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens wegen der unrichtigen Erklärung bekannt gegeben worden ist (vgl. dazu auch BGH, NJW 2001, 3638).
Praxishinweis: Die Entscheidung führt die Linie des BGH fort, wonach der Nemo-Tenetur-Grundsatz nur in Ausnahmefällen dazu führt, dass der Steuerpflichtige von der Pflicht zur Abgabe wahrheitsgemäßer Steuererklärungen befreit wird (zum Verhältnis von Umsatzsteuervoranmeldungen und Umsatzsteuerjahreserklärung s. auch die am gleichen Tag ergangene Entscheidung des 1. Strafsenats, BeckRS 2009, 12216).
BeckRS 2009, 12883
Der BGH hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, unter welchen Voraussetzungen den Steuerpflichtigen eine Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 I 1 Nr. 1 AO trifft, wenn er zuvor mit bedingtem Vorsatz unrichtige Angaben in einer Steuererklärung gemacht hat.
§ 153 I 1 Nr. 1 AO normiert eine Verpflichtung des Steuerpflichtigen, eine unrichtige Steuererklärung anzuzeigen und zu berichtigen, wenn er die Unrichtigkeit erst nachträglich bemerkt. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, so kann er sich wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen strafbar machen. Dabei ist umstritten, ob dies auch dann gilt, wenn der Steuerpflichtige bereits bei Abgabe der Erklärung die Unrichtigkeit seiner Angaben billigend in Kauf genommen hat.
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Der BGH hat dies nun in einem Fall bejaht, in dem der Angeklagte fehlerhafte Umsatzsteuervoranmeldungen nicht berichtigt hatte. Zwar komme eine Verpflichtung aus § 153 I 1 Nr. 1 AO dann nicht in Betracht, wenn der Steuerpflichtige bewusst unrichtige Erklärungen abgegeben habe, denn dann sei ihm deren Unrichtigkeit nicht - wie es der Wortlaut des § 158 I AO voraussetzt - erst nachträglich bekannt geworden. Anders liege der Fall aber, wenn die unrichtigen Angaben lediglich mit bedingtem Vorsatz erfolgten. Denn wer zunächst nur mit der möglichen Unrichtigkeit seiner Angaben rechnet, kann die definitive Unrichtigkeit durchaus erst später noch nachträglich erkennen. Diese Ansicht führe auch nicht dazu, dass die Steuerhinterziehung zu einem Dauerdelikt umgedeutet wird, denn mit der Kenntniserlangung verwirkliche der Steuerpflichtige nunmehr auf Grund eines neuen Tatentschlusses den selbstständigen Tatbestand des § 370 I Nr. 2 AO. Besondere Aufmerksamkeit widmete der BGH auch der Frage, inwieweit die nachträgliche Anzeigepflicht mit dem Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit vereinbar ist. Der 1. Strafsenat bejaht dies mit dem Hinweis auf die Möglichkeit, der Angeklagte könne regelmäßig durch eine Selbstanzeige Straffreiheit erlangen. Daher befinde er sich hier auch nicht in einer unauflösbaren Konfliktsituation, die im Hinblick auf den Nemo-Tenetur-Grundsatz der Berichtigungspflicht entgegenstehen könnte. Auch wenn eine strafbefreiende Selbstanzeige wegen Vorliegens eines Sperrgrundes ausgeschlossen ist, soll die Anzeige- und Benachrichtigungspflicht des § 153 AO ebenso wenig wie eine eventuelle Pflicht zur Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung entfallen. In diesen Fällen könne dem Nemo-Tenetur-Grundsatz aber durch die Annahme eines Beweisverwertungs- oder -verwendungsverbots Rechnung getragen werden. Eine Suspendierung von der Anzeigepflicht kommt nach Ansicht des BGH nur in den Fällen in Betracht, in denen dem Täter bereits die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens wegen der unrichtigen Erklärung bekannt gegeben worden ist (vgl. dazu auch BGH, NJW 2001, 3638).
Praxishinweis: Die Entscheidung führt die Linie des BGH fort, wonach der Nemo-Tenetur-Grundsatz nur in Ausnahmefällen dazu führt, dass der Steuerpflichtige von der Pflicht zur Abgabe wahrheitsgemäßer Steuererklärungen befreit wird (zum Verhältnis von Umsatzsteuervoranmeldungen und Umsatzsteuerjahreserklärung s. auch die am gleichen Tag ergangene Entscheidung des 1. Strafsenats, BeckRS 2009, 12216).
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