Der erweiterte Suizid unter psychologischen, soziologischen und strafrechtlichen Aspekten

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Lusaper Witteck , JA 2009, 292-298

Bei den oftmals spektakulären Fällen des erweiterten Suizids tötet der Suizidant weitere Personen in seinem Umkreis. Die Autorin erläutert die psychologischen, soziologischen und juristischen Besonderheiten des erweiterten Suizids und zeigt auf, dass der überlebende Täter sich meist wegen Mordes aus Heimtücke strafbar macht.
StGB § 20; StGB § 211; StGB § 212; StGB § 216


Der erweiterte Suizid sei vom Doppel- bzw. Massensuizid abzugrenzen und insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass es keine gemeinsame Willensentschließung zwischen dem Täter und dem Opfer gebe. Der Suizident handle vielmehr aus alleinigem Entschluss heraus, den er ohne Einverständnis der Opfer ausführe. Hauptsächlich stehe die Selbstvernichtung im Mittelpunkt des Handelns, während die Mitnahme des Anderen nur eine sekundäre Begleiterscheinung sei. In der neueren psychologischen Wissenschaft werde der erweiterte Suizid als eine primär egoistische Handlungsweise eingestuft. Beim aktiv Handelnden dominiere die Suizidabsicht, wobei er keine destruktive Einstellung gegenüber dem Opfer habe. In soziologischer Hinsicht betrage beim kriminell erweiterten Suizid der Anteil der Männer etwa 92 Prozent. In den Fällen, in denen der Suizident die anderen Opfer bereits kenne, dominierten die Fälle, in denen der Ehemann seine Ehefrau mit in den Tod nehme.

Im Übrigen sei in strafrechtlicher Hinsicht der erweiterte Suizid grundsätzlich nicht als bloße Beihilfe zum freiverantwortlichen Suizid einzustufen, zumal der Täter den Prozess, der zum Tod führe, allein beherrsche. Der erweiterte Suizid sei grundsätzlich auch nicht als Fall des § 216 StGB einzustufen, da eine freie Willensentscheidung des Opfers insoweit im Regelfall nicht vorliege. Es handle sich beim erweiterten Suizid, bei dem der Täter überlebe, grundsätzlich um einen Totschlag. Im Einzelfall könnten auch einzelne Mordmerkmale erfüllt sein, wobei insbesondere das Heimtückemerkmal problematisch sei. Eine schlafende Person könne heimtückisch getötet werden, wenn sie ihre Arglosigkeit mit in den Schlaf nehme. Demgegenüber könne gegenüber Kleinkindern meist nicht heimtückisch gehandelt werden, da ihnen die Fähigkeit zum Argwohn fehle (vgl. BGH – NStZ 1995, 230). Wenn das Kleinkind jedoch in der Lage sei, die Heimlichkeit des Handelns wahrzunehmen, komme beim erweiterten Suizid, den der Täter überlebe, auch das Mordmerkmal der Heimtücke in Betracht. Eine Tötung aus niedrigen Beweggründen könne ebenfalls vorliegen, soweit das Hauptmotiv des Täters im Rahmen einer allgemeinen sittlichen Bewertung als auf niedrigster Stufe stehend eingestuft werden könne. Stets müsse beim überlebenden Täter des erweiterten Suizids die Schuldfähigkeit im Einzelfall beurteilt und festgestellt werden.

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