Urlaubsabgeltung bei Langzeiterkrankung – Was gilt für Arbeitnehmer?

Blogbeitrag Urlaubsabgeltung bei Langzeiterkrankung – Was gilt für Arbeitnehmer

 

Ratgeber für Betroffene

 

Wenn Krankheit den Urlaub verhindert – Ihr Anspruch verständlich erklärt

Viele Menschen erleben es im Laufe ihres Berufslebens: Eine längere Erkrankung macht die Teilnahme am Arbeitsleben unmöglich. Oft kommt dann die Frage auf, was mit dem anspruchsvollen Jahresurlaub geschieht – insbesondere, wenn das Arbeitsverhältnis endet und der Urlaub nicht mehr genommen werden konnte. Dieser Blogbeitrag richtet sich an Arbeitnehmer, die nach Durchblick und konkreten Antworten zum Thema Urlaubsabgeltung bei Langzeiterkrankung suchen.

 

Ihr Recht auf Urlaub bleibt auch bei Krankheit bestehen

Der Grundsatz ist eindeutig: Wer krank ist, verliert nicht automatisch seinen gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch. Auch wenn Sie aufgrund einer Langzeiterkrankung Ihren Urlaub nicht nehmen konnten, steht Ihnen nach Ende des Arbeitsverhältnisses eine finanzielle Kompensation zu. Juristisch spricht man von „Urlaubsabgeltung“. Die Höhe richtet sich nach dem Urlaubsentgelt, das Sie erhalten hätten, wenn Sie den Urlaub trotz Krankheit hätten nehmen können.

Beispiel:
Frau Becker ist seit 16 Monaten durchgehend krank und kann nicht arbeiten. Nach der Kündigung zahlt ihr ehemaliger Arbeitgeber das Urlaubsentgelt für die noch ausstehenden Urlaubstage aus – als sogenannte Urlaubsabgeltung.

 

Wie lange besteht der Anspruch auf Urlaubsabgeltung?

Wichtige Frist: 15 Monate

Ihr Anspruch auf gesetzlichen Mindesturlaub (und damit auch die Urlaubsabgeltung) bleibt nicht unbegrenzt bestehen. Laut Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG) gilt für langzeiterkrankte Arbeitnehmer eine Übertragungsfrist von maximal 15 Monaten nach Ablauf des Urlaubsjahres. Nach Ablauf dieser Frist verfällt der Urlaubsanspruch – auch dann, wenn Ihre Krankheit weiter besteht.

Konkretes Beispiel:

Das Urlaubsjahr 2023 endet am 31. Dezember 2023. Wurden Sie 2023 krank und können bis Ende März 2025 keinen Urlaub nehmen, verfällt Ihr Anspruch auf den Mindesturlaub aus 2023 mit Ablauf des 31. März 2025.

 

Wichtig für die Praxis:

Die 15-Monatsregel schützt Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen. Arbeitnehmer sollen sich nach Möglichkeit erholen, aber es sollen sich auch keine „Urlaubsberge“ endlos anhäufen. Tarifliche oder vertragliche Vereinbarungen dürfen für den Mindesturlaubsanspruch keine kürzeren Fristen zum Nachteil der Arbeitnehmer vorsehen.

 

Europarecht und Rechtsprechung: Was sagt das höchste Gericht?

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat klargestellt: Nationale Regelungen, die den Urlaubsanspruch bei Krankheit zu sehr einschränken, sind rechtswidrig. Die aktuelle 15-Monatsfrist, wie sie auch das Bundesarbeitsgericht übernommen hat, ist europarechtskonform und spiegelt einen fairen Ausgleich zwischen Erholungsinteresse des Arbeitnehmers und Planungssicherheit für Arbeitgeber wider.

 

Wie entsteht und wie setzt man den Abgeltungsanspruch durch?

Entstehung:
Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung entsteht mit der rechtlichen Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses. Sie müssen keinen besonderen Antrag stellen; der Anspruch ist gesetzlich geregelt.

Höhe:
Sie bekommen das Urlaubsentgelt, das Ihnen zugestanden hätte, wäre der Urlaub arbeitsvertraglich genommen worden. Vertrags- oder tarifliche Sonderregelungen sind insoweit unwirksam, sofern sie den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch mindern.

Fristen:
Beachten Sie tarifliche oder arbeitsvertragliche Ausschlussfristen. Diese sind jedoch nur insoweit wirksam, als sie nicht zu einer Benachteiligung des gesetzlichen Mindesturlaubs führen. Die Verjährung beginnt erst mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses zu laufen.

Beispiel für eine korrekte Durchsetzung:

Nach der Kündigung benötigt Herr Klein eine Übersicht seiner offenen Urlaubstage. Der Arbeitgeber berechnet die nicht genommenen Urlaubstage, multipliziert sie mit seinem bisherigen Tagesverdienst und zahlt die Abgeltung aus.

 

Sonderregelungen im Arbeitsvertrag und Pflichten des Arbeitgebers

Was ist bei Sondervereinbarungen zu beachten?

  • Gesetzlicher Mindesturlaub: Nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers abdingbar.
  • Zusätzlicher, vertraglicher Urlaub: Hier können andere Regelungen – etwa strengere Verfallsfristen – vereinbart werden. Aber: Oft löst sich der Anspruch auf Mehrurlaub an die 15-Monatsregel an, sofern der Arbeitsvertrag keine eigenständigen Regelungen enthält.
  • Ausschlussfristen: Beachten Sie die im Tarif- oder Arbeitsvertrag genannten Ausschlussfristen für die Geltendmachung von Ansprüchen.
  • Schadensersatz: Nach Ablauf der 15 Monate besteht nur noch die Möglichkeit eines Schadensersatzes – etwa, wenn der Arbeitgeber schuldhaft verhindert hat, dass Sie Ihren Urlaub nehmen konnten.

 

Arbeitgeberpflichten bei Erkrankung

Der Arbeitgeber muss seinen Arbeitnehmer aktiv und rechtzeitig über den Stand der Urlaubstage und den drohenden Verfall informieren, soweit dies möglich ist. Wurde diese Pflicht (Mitwirkungsobliegenheit) nicht beherzigt, führt das aber nach der aktuellen Rechtsprechung bei durchgehender, langanhaltender Krankheit nicht dazu, dass der Verfall der 15-Monatsfrist gehemmt wird. Eine Ausnahme besteht nur, wenn die Krankheit so „spät“ im Jahr eintrat, dass der Arbeitgeber vorher gar nicht informieren konnte.

 

Häufige Fragen & Missverständnisse

„Was passiert, wenn ich während der Übertragungsfrist wieder gesund werde?“

Dann muss der Arbeitgeber Ihnen die Möglichkeit geben, den Urlaub zu nehmen. Die Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers lebt auf! Ist der Urlaub bis dahin jedoch bereits wegen der Fristverjährung erloschen, kann er nicht mehr gewährt oder abgegolten werden.

„Kann ich auf meinen Abgeltungsanspruch verzichten?“

Sie können nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf den reinen Geldanspruch der Urlaubsabgeltung verzichten, nicht jedoch während des laufenden Beschäftigungsverhältnisses auf den gesetzlichen Mindesturlaub selbst.

„Gilt die Regelung auch für vertraglichen Mehrurlaub?“

Für zusätzlichen arbeits- oder tarifvertraglichen Urlaub gelten häufig je nach Vertrag abweichende Fristen und Vereinbarungen. Die Grundsätze zum Mindesturlaub gelten hierfür nicht zwingend; schauen Sie in Ihren Arbeitsvertrag!

„Kann ich auch noch zwei Jahre später Urlaubsabgeltung verlangen?“

Nur, wenn keine Ausschlussfristen (im Arbeits- oder Tarifvertrag) entgegenstehen. Standardmäßig gilt: Der Anspruch verfällt 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres, danach ist er erloschen. Ausschlussfristen oder die dreijährige Verjährung nach BGB laufen ab dem Ende des Arbeitsverhältnisses an.


Was tun als Arbeitnehmer bei Langzeiterkrankung und Kündigung?

 

Handeln Sie rasch und prüfen Sie Ihre Ansprüche!

Praktische Tipps:

  • Lassen Sie sich vom Arbeitgeber eine genaue Abrechnung nicht genommener Urlaubstage nach Beendigung vorlegen.
  • Überprüfen Sie Arbeits- und Tarifverträge auf spezielle Fristen und Regelungen.
  • Zahlen Arbeitgeber nicht freiwillig, haben Sie ein Recht auf Klage vor dem Arbeitsgericht.
  • Bei Unsicherheit: Suchen Sie rechtzeitige juristische Beratung, um Säumnisfristen nicht zu verpassen.

 

Sie haben Fragen oder Unsicherheiten? Kontaktieren Sie mich.

 

fth | 02. Okt 2025 | Zu Recht !!


 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Allgemeiner Hinweis zur Unterstützung durch KI

(fiese) Tricks beim Scheitern einer Ehe