Warum Sie sich besser nicht von Ihrer Rechtsschutzversicherung beraten lassen sollten

Während Versicherer mit einem „niedrigschwelligen Zugang“ zum Recht werben, sollten Sie zweifeln an der Unabhängigkeit, der Qualität und an mögliche Interessenkonflikte bei einer Beratung durch die Versicherung selbst denken.

1. Interessenkonflikte und Motivation der Rechtsschutzversicherer

Die potenzielle Gefahr einer rechtlichen Beratung durch Ihre Rechtsschutzversicherung liegt im strukturellen Interessenkonflikt: Die Versicherung ist kein unabhängiger Interessenvertreter des Kunden, sondern ein Unternehmen mit eigenen wirtschaftlichen Zielen. Im Kern stehen hierbei das Kostenmanagement und die Reduzierung eigener Ausgaben – auch durch die (teils standardisierte) Lenkung von Mandanten zu eigenen oder „vertrauensnahen“ Beratern sowie durch außergerichtliche Erledigung möglichst vieler Fälle. So ist es gerade Ziel der aktuellen Gesetzesinitiative, dass Rechtsschutzversicherer künftig neben der Kostenübernahme auch Beratung und Vertretung leisten dürfen – faktisch entwickelt sich die Versicherung damit zum „Gatekeeper“, der steuert, ob und mit welchem Nachdruck ein Mandant anwaltliche Hilfe erhält.

Jüngste Untersuchungen und Stellungnahmen der Rechtsanwaltskammern machen deutlich: Rechtsschutzversicherungen betreiben bereits seit Jahren ein aktives Schadensmanagement, steuern ihre Versicherten verstärkt zu hauseigenen oder besonders angebundenen Rechtsdienstleistern und vermeiden auf diesem Weg gerichtliche Auseinandersetzungen. Dabei droht – so der Deutsche Anwaltverein (DAV) – dass die individuellen Interessen der Mandanten den wirtschaftlichen Zielen der Versicherung untergeordnet werden. Das Risiko: Der Mandant wird subtil von der Wahrnehmung seiner Rechte abgehalten, um Kosten zu sparen. Auch das renommierte Halmer-Urteil des EuGH (C-295/23) betont die Notwendigkeit der strukturellen Unabhängigkeit anwaltlicher Beratung und lehnt die Einflussnahme Dritter – wie Versicherern – klar ab.

Spätestens wenn – wie im Konzept der Beschlussvorlage der Herbstkonferenz der Justizminister 2025 – Beratungsfunktionen und Kostenzusage verschmelzen, wird die freie Anwaltswahl praktisch ausgehöhlt. Es entstehen „weiche Zwänge“: Versicherte werden vorgesteuert und geraten in einen Loyalitätskonflikt, wenn ihnen Kostennachteile oder Verzögerungen angedroht werden, sollten sie einen externen unabhängigen Anwalt wählen.

Was bedeutet das für Ihre Rechte?

Unabhängigkeit ist das höchste Gut der anwaltlichen Tätigkeit. Ihr Rechtsanwalt ist allein Ihrem Interesse verpflichtet und darf keine widerstreitenden Interessen vertreten (§ 43a Abs. 4 BRAO). Ein Versicherungsberater hingegen unterliegt der Regulierungsaufsicht, ist aber wirtschaftlichen Erwägungen verpflichtet – dies steht dem absoluten Mandantenschutz entgegen.

 

2. Qualität und Tiefe der anwaltlichen Beratung – worin der Unterschied liegt

Ihr Anwalt ist nicht nur rechtlicher Sachwalter, sondern auch loyaler Berater, der individuell auf Ihren Sachverhalt eingeht, Risiken umfassend abwägt und Sie auch mal von aussichtslosen Klagen abhält. Die anwaltliche Beratungspflicht umfasst:

  • Die objektive und vollständige Klärung des Sachverhalts durch gezieltes Nachfragen
  • Das Aufzeigen sämtlicher Rechtswege vor und nach der Entscheidung
  • Die Pflicht, den sichersten und gefahrlosesten Weg zu empfehlen und vor allen vorhersehbaren Risiken zu warnen

Insbesondere bei Mandanten mit Rechtsschutzversicherung besteht KEIN herabgesetzter Maßstab: Auch wenn der Versicherer eine Deckungszusage erteilt, bleibt der Anwalt dazu verpflichtet, von objektiv aussichtslosen oder wirtschaftlich unsinnigen Klagen ABZURATEN und seine Beratung daran zu orientieren – nicht an den Interessen des Versicherers. Ihr Anwalt darf keinesfalls aus Bequemlichkeit oder fremdbestimmtem Druck kostenverursachende, aber nutzlose Verfahren initiieren.

Viele Rechtsschutzversicherer bieten dagegen nur standardisierte Telefonberatung, Checklisten oder verweisen direkt an „Vertrauensanwälte“, die, wie etwa in aktuellen Umfragen belegt, in erster Linie im Interesse der Mandatssteuerung für die Versicherung tätig sind. Die Beratung bleibt dabei vielfach oberflächlich, weil der Sachverhalt nicht individuell genug aufgearbeitet wird und tiefgehende juristische Würdigung häufig unterbleibt.

Bindung an die Interessen des Kunden – und keine Bindung an Vorgaben der Versicherung

Der Anwalt ist verpflichtet, seine Beratungsleistung unabhängig von Kostenzusagen oder restriktiven Weisungen der Versicherung zu erbringen. Das Vertragsverhältnis zwischen Mandant und Anwalt bleibt von der Versicherung völlig unberührt; umgekehrt erzeugt eine Kostenzusage keinen Vertrauensschutz zugunsten des Anwalts oder beseitigt die Beratungspflichten.

Gerichte bestätigen regelmäßig, dass es dem Anwalt „nicht erlaubt ist, die Erfolgsaussicht einer Klage im Mandatsinteresse herunterzuspielen“, nur um Deckung von der Versicherung zu erhalten. Ein Anwalt bleibt der alleinige Interessenvertreter des Mandanten und muss nicht etwa die Kostenkontrolle der Rechtsschutzversicherung im Auge behalten.

 

3. Mögliche Folgen und Risiken einer Beratung durch Versicherer

a) Verdeckte Nachteile für Mandanten

Durch die faktische Beratungslenkung der Versicherung drohen Ihnen folgende unmittelbare Nachteile:

  • Verlust der realen freien Anwaltswahl: Der Psychodruck, „hauseigene“ Angebote der Versicherung zu wählen, wächst. Wer außenstehende unabhängige Berater wählt, muss mit Nachteilen (z.B. zögerliche oder verweigerte Kostendeckung) rechnen.
  • Interessenwidersprüche in Mehrfachkonstellationen: Berät der Versicherer oder ein mit ihm kooperierender Anwalt beide Parteien eines Streits (z.B. bei demselben Versicherer), sind echte Interessenkonflikte vorprogrammiert.
  • Qualitätseinbußen durch Massenabfertigung: Statistisch werden inzwischen bis zu 90 % der Fälle durch aktives Schadensmanagement der Versicherungen außergerichtlich abgewickelt – häufig mit standardisierten, auf Abwicklung getrimmten Lösungen, die nicht immer Ihrem individuellen Interesse dienen.

b) Rechtliche Risiken und fehlende Einbeziehung Ihrer Rechte

  • Haftungsrisiken: Wenn Sie sich ausschließlich durch die Versicherung oder deren Dienstleister beraten lassen, können Sie Ihre Rechte auf Schadensersatz bei Falschberatung nur schwer durchsetzen. Ein unabhängiger Anwalt ist Ihnen dagegen persönlich verantwortlich und unterliegt strengen Haftungsnormen.
  • Unvollständige Beratung: Ein auf Versichererinteressen getrimmter Berater wird Sie tendenziell auf die für die Versicherung günstigste, nicht aber auf die für Sie als Mandant optimale Lösung führen. Gerade im Fall widersprüchlicher Angaben oder ungeklärter Erfolgsaussichten ist die kritische und loyale Einzelfallberatung durch den Anwalt entscheidend für Ihre Durchsetzungschancen.

 

Vertrauen Sie bei rechtlichen Problemen/Fragen immer auf einen unabhängigen Anwalt statt auf Ihr Versicherungsunternehmen.

So sichern Sie sich Loyalität, Professionalität und die volle Bandbreite Ihrer juristischen Möglichkeiten.



fth | 22. Okt 2025 | Zu Recht !!

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