Was tun, wenn ein Anhörungsbogen im Briefkasten liegt?
Plötzlich Post – und jetzt?
Der Schrecken ist groß: Ein Brief
von der Polizei oder Bußgeldstelle liegt im Kasten. Ein sogenannter
„Anhörungsbogen“ flattert herein, meist in auffälligem Umschlag. Darin wird
mitgeteilt, dass mit Ihrem Auto ein Verkehrsverstoß begangen wurde. Was jetzt?
Muss der Halter auspacken? Muss ich sagen, wer gefahren ist? Und was passiert,
wenn auf dem Blitzerfoto niemand zu erkennen ist? Hier bekommen Sie fundierte,
aber verständliche Antworten – und Tipps zu drohenden Kosten (wie z.B. bei
einer Fahrtenbuchauflage.
1. Was ist ein Anhörungsbogen und warum bekomme ich ihn?
Der Anhörungsbogen ist oft die
erste offizielle Kontaktaufnahme der Behörde nach einem Verkehrsverstoß. Meist
wurde Ihr Fahrzeug – also das auf Sie oder Ihre Firma zugelassene Auto – zum
Beispiel geblitzt. Die Behörde weiß aber in der Regel nur, auf wen das Auto
zugelassen ist. Im Schreiben werden Daten abgefragt oder Sie werden
aufgefordert, sich zur Sache zu äußern.
2. Was muss ich als Fahrzeughalter tun – und was nicht?
Wichtiges gleich vorweg:
Sie sind als Halter nicht automatisch verpflichtet, den Fahrer zu benennen!
Grundsätzlich gilt das sogenannte Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrecht –
niemand muss sich selbst oder nahe Angehörige belasten. Dieser Grundsatz
schützt also insbesondere Sie selbst, Ihre Ehepartner, Eltern oder Kinder.
ABER: Als Halter haben Sie
eine sogenannte Mitwirkungspflicht bei der Feststellung des Fahrers. Sie müssen
im Rahmen des Zumutbaren helfen, den Fahrer zu ermitteln. Das heißt: Wenn Sie
wissen, dass zum Beispiel Ihr bester Freund oder Ihre Tochter gefahren ist,
können Sie das angeben – Sie müssen aber nicht. Tun Sie es nicht, können
unangenehme Folgen drohen.
Die Rechtsprechung verlangt, dass
Halter zumindest versuchen, einen möglichen Täterkreis einzugrenzen. Zum
Beispiel, indem Sie mitteilen, wer üblicherweise das betroffene Fahrzeug nutzt,
oder indem Sie nachfragen, wer zur Tatzeit das Fahrzeug hatte.
3. Muss ich mich selbst oder einen Angehörigen belasten?
Nein! Niemand muss sich
selbst zur Last legen oder enge Familienangehörige belasten. Das besagen das
Strafgesetzbuch (StGB) und das Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG). Sie dürfen
also – gutes Recht – schweigen. Einfach gesagt: Kein Zwang zur Selbstbelastung!
Aber – Vorsicht bei Ausreden!
Falsche Angaben (z.B. jemand anderen als Fahrer „vorschieben“) können strafbar
sein, nicht zu Letzt auch für den
Vorgeschobenen. Schweigen ist (fast) immer sicherer als zu viel reden.
4. Was, wenn der Fahrer auf dem Blitzerfoto nicht zu
erkennen ist?
Hier wird es spannend: Ist das Foto unscharf, von hinten
aufgenommen oder schwer zuzuordnen, kann es sein, dass weder die Behörde noch
Sie als Halter sagen können, wer wirklich gefahren ist. Die Behörde wird Sie
dann (erneut) fragen oder einen Anhörungsbogen schicken.
Ihre Mitwirkungspflicht: Sie müssen zwar nicht den
Fahrer benennen, aber: Sie sollten — so die Rechtsprechung — im Rahmen des
Möglichen helfen, mit Hinweisen oder durch Nachfrage im
Familien-/Bekanntenkreis. Tun Sie dies nicht, riskieren Sie eine
Fahrtenbuchauflage!
Wichtig: Die Behörde ist nicht verpflichtet, über das
hinaus zu ermitteln, was zumutbar und realistisch ist. Wenn das Blitzerfoto
unbrauchbar ist und Sie die Augen verschließen, bleibt die Behörde oft „auf der
Strecke“ – und zieht daraus ihre Konsequenzen.
5. Das Risiko: Die Fahrtenbuchauflage
Wenn der Fahrer nicht ermittelt werden kann, droht oft
eine Fahrtenbuchauflage. Das ist sozusagen ein schärferes
„Disziplinierungsinstrument“ der Behörden gegenüber dem Halter.
Was bedeutet eine Fahrtenbuchauflage?
Sie müssen dann über einen Zeitraum (häufig 6 bis 24 Monate)
jede Fahrt mit dem betreffenden Auto (manchmal auch ganze Fahrzeugflotte!)
dokumentieren: Wer, wann und mit welchem Ziel unterwegs war.
Voraussetzung ist: Die Feststellung des Fahrers nach
einer Verkehrsordnungswidrigkeit ist der Behörde trotz angemessener, zumutbarer
Ermittlungsmaßnahmen nicht möglich gewesen. Ihre Mitwirkung — oder das Fehlen
dieser Mitwirkung — ist dabei ausschlaggebend.
Die Anordnung dient der Vorbeugung: Die Behörde will
sicherstellen, dass sie beim nächsten Mal ohne Schwierigkeiten den Fahrer
feststellen kann. Sie möchte verhindern, dass Verkehrssünder sich künftig so
der Verantwortung entziehen.
Achtung: Kostenfalle!
- Die
Anordnung kann teuer werden! Sie müssen gegebenenfalls neue Formulare
anschaffen und jede Fahrt dokumentieren. Bei jeder Kontrolle — auch weit
nach der Tat — kann ein Versäumnis (z.B. nicht korrekt geführtes
Fahrtenbuch) ein weiteres Bußgeld nach sich ziehen.
- Angenommen
es ist ein Firmenwagen, dann kann sich die Anordnung schon auch mal auf
die gesamte Fahrzeugflotte beziehen.
- Gerichts-
und Verwaltungsgebühren: Der Streit über die Fahrtenbuchauflage kann
erhebliche Gebühren auslösen, deren Höhe nach verschiedenen
Rechtsvorschriften bestimmt wird und je nach Umfang des Vorgangs variiert.
6. FAQ: Die wichtigsten Antworten
Muss ich im Anhörungsbogen überhaupt etwas ausfüllen?
Nein, Sie müssen sich nicht zur Sache äußern (Schweigerecht)
— aber das wird oft als mangelnde Mitwirkung gewertet, was die Auflage eines
Fahrtenbuchs wahrscheinlicher macht.
Muss ich meinen Chef, Lebensgefährten oder meine Tochter
„verraten“, wenn sie gefahren sind?
Nein – aber wenn Sie wollen und kein rechtliches Risiko
sehen, können Sie den Kreis der Nutzer eingrenzen. Sie dürfen Hinweise geben,
müssen aber nicht. Aussagen, die zu „falschen Verantwortlichen“ führen, sollten
Sie jedoch vermeiden.
Droht die Fahrtenbuchauflage beim ersten Verstoß?
Die Fahrtenbuchauflage ist meist schon nach einem einzigen,
schwerwiegenderen Verkehrsverstoß zulässig, wenn der Fahrer nicht ermittelt
werden kann. Es ist kein „Wiederholungsfall“ erforderlich.
Wie lange dauert sie in der Praxis?
Die Dauer bemisst sich am Einzelfall – je nach Schwere des
Verstoßes und Besonderheiten wie Saisonfahrzeugen (z.B. Motorrad nur im
Sommer). Meist sind es 6 bis 24 Monate.
7. Praxistipps vom Anwalt:
1. Ruhe bewahren! Prüfen Sie den Vorwurf und Ihre
Optionen.
2. Machen Sie keine vorschnellen Angaben! Falsche
Aussagen sind riskant.
3. Nutzen Sie Ihr Schweigerecht, wenn es geboten ist!
Besonders, wenn Sie selbst oder Angehörige gefahren sind.
4. Prüfen Sie, ob das Foto verwertbar ist. Der Fahrer
muss erkennbar und identifizierbar sein — ansonsten spricht viel gegen einen
Bußgeldbescheid.
**5. Werden Sie zur Mitwirkung aufgerufen, wägen Sie ab, ob
Ihnen ein Fahrtenbuch lästiger oder teurer ist als die Aussage.“
6. Fragen Sie jemanden, der sich damit auskennt! Ein
Anwalt kann im Einzelfall überprüfen, wie stark die Pflicht zur Mitwirkung
ausgeprägt ist und ob die Fahrtenbuchauflage droht oder rechtmäßig ist.
Fragen Sie nach den Kosten – gern gleich am Anfang. Eine Rechtsschutzversicherung
wäre gut.
8. Fazit
- Sie
müssen nicht aussagen, aber Mitwirkung ist in Ihrem Interesse.
- Verweigern
Sie die Nennung des Fahrers und die Polizei kann den Täter nicht
ermitteln, riskieren Sie, über Jahre jede Fahrt dokumentieren zu müssen.
- Wägen
Sie Ihr Schweigen ab — professionalisieren Sie lieber Ihre Strategie und
holen Sie juristischen Rat.
Tipp zum Schluss: Post aus dem Bußgeldbereich? Keine
Panik. Keine Schnellschüsse. Anwalt fragen – und das Problem ist nicht größer
als Ihr Briefkasten.
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