Keine Kürzung der Sozialhilfeleistungen bei Zusammenleben einer 65-jährigen Mutter mit ihrem 36-jährigen Sohn

zu BSG, Urteil vom 19.05.2009 - B 8 SO 8/08 R

Leistungen der Grundsicherung im Alter nach § 42 SGB XII (Sozialhilfe), die eine über 65-Jährige Mutter erhält, dürfen nicht deshalb gekürzt werden, weil sie mit ihrem 36-jährigen Sohn zusammenlebt. Das hat das Bundessozialgericht in Kassel am 19.05.2009 entschieden. Die Richter führten aus, dass hier weder eine Bedarfsgemeinschaft nach SGB II noch eine Einsatzgemeinschaft nach SGB XII vorliege, innerhalb der wie bei der Bedarfsgemeinschaft Einkommen und Vermögen auch für andere einzusetzen seien. Vielmehr sei die Frau wie eine Alleinstehende zu behandeln (Az.: B 8 SO 8/08 R).

Sachverhalt
Die im Jahr 1940 geborene Klägerin lebte bei ihrem 1969 geborenen Sohn. Beide bezogen bis Ende Mai 2005 Regelleistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 20 SGB II in Höhe von jeweils 345 Euro. Ab Juni 2005 erhielt die Klägerin, die im Laufe des Monats das 65. Lebensjahr vollendete, vom Sozialamt Leistungen der Grundsicherung im Alter nach § 42 SGB XII unter Berücksichtigung eines Regelsatzes in Höhe von nur noch 276 Euro (80 Prozent des Regelsatzes einer alleinstehenden Person). Das Sozialamt begründete die Kürzung damit, dass sie mit ihrem Sohn einen gemeinsamen Haushalt führe und deshalb eine Gesamtleistung von nur 180 Prozent statt wie zuvor im Rahmen des SGB II von 200 Prozent gerechtfertigt sei.
Abschläge nur bei gemeinsamem Haushalt zulässig

Der Achte Senat hat jetzt in letzter Instanz entschieden, dass der Frau für die Zeit ab Juni 2005 im Rahmen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ein Sozialhilferegelsatz in Höhe von 100 Prozent zusteht. Das SGB II gehe typisierend von prozentualen Abschlägen der Regelleistung nur innerhalb von Bedarfsgemeinschaften aus. Nur insoweit könnten normativ Einsparungen auf Grund eines gemeinsamen Haushalts angenommen werden. Zwar kenne das SGB XII nicht das Rechtsinstitut der Bedarfsgemeinschaft. Dieser vergleichbar sei jedoch im SGB XII die so genannte Einsatzgemeinschaft, innerhalb der wie bei der Bedarfsgemeinschaft Einkommen und Vermögen auch für andere einzusetzen sei.
Reduzierung des Regelsatzes nicht gerechtfertigt

Die Klägerin und ihr Sohn bilden jedoch nach Ansicht der Kasseler Richter weder eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II noch eine Einsatzgemeinschaft nach SGB XII. Unter Gleichheitsgesichtspunkten (Art. 3 GG) sei es deshalb nicht gerechtfertigt, die Klägerin sozialhilferechtlich schlechter zu stellen als im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Nach beiden Gesetzen sei sie als Alleinstehende und im SGB XII als Haushaltsvorstand zu behandeln. Eine Reduzierung des Regelsatzes auf 80 Prozent sei nicht gerechtfertigt.

beck-aktuell-Redaktion, Verlag C. H. Beck, 20. Mai 2009.

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