Ein Aufhebungsvertrag ist kein Haustürgeschäft und kann nicht widerrufen werden (Bundesarbeitsgericht)


Im entschiedenen Fall endete das Arbeitsverhältnis durch einen Aufhebungsvertrag, der in der Wohnung der Arbeitnehmerin unterzeichnet worden war. Erstaunlich war, dass der Aufhebungsvertrag das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung beenden sollte und auch keine Abfindung gezahlt werden sollte.
Wie genau es zum Vertragsschluss kam, konnte nicht geklärt werden. Die Arbeitnehmerin behauptete, dass sie am Tag des Vertragsschlusses erkrankt war. Sie hat den Aufhebungsvertrag wegen Irrtums, arglistiger Täuschung und widerrechtlicher Drohung angefochten und hilfsweise widerrufen und klagte dann auf Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses.
Das Landesarbeitsgericht (Niedersachsen, Urteil vom 7. November 2017 - 10 Sa 1159/16) hat die Klage abgewiesen. Das Bundesarbeitsgericht hat dieses Urteil auf die Revision der Klägerin aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Das BAG (Urteil vom 7. Februar 2019 - 6 AZR 75/18) führt in seiner Pressemitteilung vom 7.2.2019 Nr. 6/19 dazu aus:
Eine Arbeitnehmerin kann einen Vertrag, durch den das Arbeitsverhältnis beendet wird (Aufhebungsvertrag), auch dann nicht widerrufen, wenn er in ihrer Privatwohnung abgeschlossen wurde. Ein Aufhebungsvertrag kann jedoch unwirksam sein, falls er unter Missachtung des Gebots fairen Verhandelns zustande gekommen ist.
Dieses hat rechtsfehlerfrei erkannt, dass dem Vortrag der Klägerin kein Anfechtungsgrund entnommen werden kann und der Widerruf eines arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrags auf gesetzlicher Grundlage nicht möglich ist. Der Gesetzgeber hat zwar in § 312 Abs. 1 iVm. § 312g BGB Verbrauchern bei Verträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen worden sind, ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB eingeräumt. Auch Arbeitnehmer sind Verbraucher. Im Gesetzgebungsverfahren ist jedoch der Wille des Gesetzgebers deutlich geworden, arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge nicht in den Anwendungsbereich der §§ 312 ff. BGB einzubeziehen.
Das Landesarbeitsgericht hat jedoch nicht geprüft, ob das Gebot fairen Verhandelns vor Abschluss des Aufhebungsvertrags beachtet wurde. Dieses Gebot ist eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Sie wird verletzt, wenn eine Seite eine psychische Drucksituation schafft, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags erheblich erschwert. Dies könnte hier insbesondere dann der Fall sein, wenn eine krankheitsbedingte Schwäche der Klägerin bewusst ausgenutzt worden wäre. Die Beklagte hätte dann Schadensersatz zu leisten. Sie müsste den Zustand herstellen, der ohne die Pflichtverletzung bestünde (sog. Naturalrestitution, § 249 Abs. 1 BGB). Die Klägerin wäre dann so zu stellen, als hätte sie den Aufhebungsvertrag nicht geschlossen. Dies führte zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Das Landesarbeitsgericht wird die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrags daher erneut zu beurteilen haben.

Anmerkung:
Der Widerruf des Aufhebungsvertrags durch die Arbeitnehmerin scheidet aus (früher Vorschriften über Haustürgeschäfte). Die Anfechtung scheiterte hier - wie so oft - am nachgewiesenen Anfechtungsgrund. Allein die Verletzung des fairen Verhandelns könnte hier noch die Klägerin "retten". Allerdings müsste dann das LAG feststellen, dass die Arbeitnehmerin krank und aufgrund der Krankheit auch in ihrer Widerstandskraft geschwächt war und dies die Gegenseite ausgenutzt hat. Dies dürfte aber recht schwierig nachweisbar sein.

Und die Moral von der Geschicht`: Den Anwalt des Vertrauens zu konsultieren, vor Abschluss (wichtiger) Verträge – vergisst man besser NICHT.





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